Die sieben Leben der Hanseaten

Führung durch die Hanseatische Brauerei

Die sieben Leben der Hanseaten

Die „Rostocker Sieben“ ist sowohl Glückszahl als auch feststehender Begriff in der Hansestadt. Bekannt geworden als „Rostocker Kennewohrn“ (Wahrzeichen) gab es dereinst sieben Tore, sieben Brücken, sieben Kirchen mit sieben Türmen etc. Sieben ist die Zahl der Rostocker, so wie in Bremen die Drei gesetzt ist, wenn es ums Bremer Recht geht.

Rostock als einzige Großstadt im Bundesland beheimatet nicht nur die meisten Einwohner, sondern ist auch in puncto Erreichbarkeit gut besattelt. Die See- und Hafenstadt ist von Norden auf dem Seeweg ansteuerbar. Aus den anderen drei Himmelsrichtungen führen Autobahnen und Bahngleise bis fast ins pulsierende Herz der Universitätsstadt. Diese Möglichkeiten werden am Freitag, dem 10. November erfreulich zahlreich genutzt, so dass die ebenfalls in Rostock verkehrende Straßenbahn viele Teilnehmer unserer Jahresabschlussveranstaltung direkt vor dem Betriebstor der Hanseatischen Brauerei ins Freie entlässt. Hier in der Doberaner Straße wird seit 1872 (beginnend mit Brauer Julius Meyer) Bier gebraut. Die wechselvolle Geschichte des Unternehmens ist im Traditionsraum der Brauerei anschaulich mit zahlreichen Exponaten sowie Bild- und Schrifttafeln dargestellt. In diesem Ambiente führen wir heute unser Vereinstreffen durch, wobei wir unter den 34 Teilnehmern selten bzw. erstmalig gesehene Mitglieder sowie auch potenzielle Beitrittskandidaten begrüßen können. Die erwähnte gute Anbindung lässt die Anreise auch aus Stralsund, Marlow oder Rövershagen bequem bewerkstelligen.

Der heutige Einstieg besteht aus der Vorstellung und dem Fachvortrag
der Fa. Seli Automatisierungstechnik. Firmengründer und langjähriger
Inhaber Frank Nimweger nimmt uns mit auf einen Schnelldurchlauf durch die schon seit 1990 andauernde Unternehmensgeschichte. Anschließend liegt der Fokus naturgemäß auf der Anwendungstechnik von Seli. Hygienische Messgeräte und Sensoren für Temperatur, Druck, Leitfähigkeit, Füllstand und Trübung sind Seli-Kernkompetenz. Fertigung „Made in Germany“ und ausschließlich in Edelstahl. Die Spezialisierung auf die Lebensmittelherstellung und-verarbeitung erlaubt zielgenaue Entwicklungen für den entsprechenden Anwendungszweck. Schlanke Bauweise, einfache Bedienung und schnellste Ansprechzeiten der Sensoren sind das Ergebnis. Im Gegensatz zu Mitbewerbern ist es nicht der Anspruch, mit einem Grundgerät sämtliche industriellen Anwendungsfälle abdecken zu können. Die Konzentration auf den speziellen Einsatzzweck und die konkrete Situation der Anwender haben mit der Zeit zu einem umfangreichen Spezialwissen geführt, welches der Weiterentwicklung der Software und Sensoren und somit der Anwenderfreundlichkeit zugutekommt. Schnellere Ansprechzeiten im Sekundenbereich klingen zunächst nach nicht viel. Bei Phasentrennungen in der CIP-Reinigung beispielsweise ergeben sich aber übers Jahr gesehen bei einigen hundert Prozessen schon relevante Einsparpotenziale. Daher findet bei Störtebeker in Stralsund auch derzeit ein Feldversuch mit Seli-Geräten statt, siehe auch Brauwelt 47/2023.

Nach der Theorie folgt die Praxis in der eigenen Anschauung, denn Betriebsleiter Matthias Prigge lädt zu einem Brauereirundgang ein. In drei Gruppen erkunden wir den Traditionsbetrieb. Es ist Freitagabend und die Produktionsanlagen stehen erwartbar still. Dadurch ergibt sich eine eigene, ruhende Atmosphäre, in welcher wir modernster Technik als auch historischen Anlagen begegnen. Beispielsweise den neunzigjährigen Rostock-Tanks, deren Name im Gegensatz zur ersten Vermutung nicht von der Hansestadt herrührt, sondern vom Erbauer: Standfasswerke Rostock & Baerlocher aus Klosterneuburg bei Wien. Es handelt sich um innen beschichtete Stahlbetontanks in Quaderform. Damals neuester Stand, auch bei Keltereien, Brennereien oder Gemüseverarbeitern. Heute ein starker Kontrast zu den hoch aufragenden Edelstahl-ZKT der Gegenwart. Solche Kontraste ergeben sich zwangsläufig auf dem Areal, welches seit 1869 Bautätigkeit zu verzeichnen hat. Einstmals auf ausgedehnten Freiflächen vor den Toren der Stadt errichtet befindet sich das Quartier der Brauerei jetzt mitten im Szeneviertel KTV („Kröpeliner-Tor-Vorstadt“ ist zugegebenermaßen etwas sperrig). Die einzelnen Gebäude und die unsichtbare Keller-Unterwelt künden von den unterschiedlichen Zeiträumen in der Historie der Brauerei.

Einschneidende Zäsuren für die Rostocker Brauer waren nicht nur Ereignisse mit weltweiter Ausstrahlung wie Weltkrieg (welcher später leider mit der Ordnungszahl 1. versehen werden musste), Hyperinflation oder Weltwirtschaftskrise. Auch regional begrenzte Ereignisse hatten existenzgefährdendes Potenzial. Dazu gehören die Bombardierung Rostocks 1942, die komplette Anlagendemontage 1945 als Reparation in die Sowjetunion (wobei sich besagte Rostock-Tanks zum Glück als immobil erwiesen) oder der Großbrand 1967. Wenn man allein diese sechs Ereignisse als Nahtoderfahrungen einordnet, befinden sich die Rostocker Brauer bereits im siebenten Leben.

Wechselvoll ist in der Rückschau auch die Abfolge unterschiedlicher Markenzeichen. Der aktuelle Auftritt ist der siebente in der Firmengeschichte. Jahrzehntelang war das Rostocker Rathaus mit seinen sieben Türmen das prägende Wiedererkennungselement für Rostocker Bier, bevor es mit wechselnden Grafik-Experimenten aufs Abstellgleis manövriert wurde. Nach fast dreißig Jahren ist es jetzt wieder die Zierde jedes Etiketts. Möge mit ihm auch die Beständigkeit für die Rostocker Brauer wiederkehren, denn Luft nach oben ist beim Ausstoß allemal vorhanden. Zu wünschen ist der Rostocker Kogge, welche unter dem Segel der Radeberger Gruppe unterwegs ist, jederzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

Zurück im Traditionsraum nehmen wir alle Mitglieder des 7-köpfigen Biersortiments ausgiebig unter die Sensorik-Lupe und stärken uns am Abendbuffet. Unser großer Dank für das heutige Vereinstreffen gilt Betriebsleiter Matthias Prigge für Einladung und Bewirtung im Namen der Radeberger Gruppe sowie selbstredend Seli Automation in Person von Tanja und Frank Nimwegen und Sören Brietzke.

Frank Lucas

Eindrücke

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